Komplikationen während der Hämodialysebehandlung
Um die bei der Hämodialysebehandlung auftretenden Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens zu verstehen ist es erforderlich zu wissen was im Körper während und nach der Behandlung vor sich geht.
In der Zeit zwischen den Dialysebehandlungen wird dem Körper Wasser zugeführt, sowohl durch Getränke als auch durch andere Nahrungsmittel. Dieses Wasser gelangt über den Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn und verteilt sich relativ gleichmäßig im Körper. Diese Verteilung erfordert Zeit, da das Wasser mehrere körpereigene Barrieren überwinden muß.
Zunächst gelangt es durch die Oberfläche des Darmtraktes in die Blutbahn. Da der Körper bemüht ist die Menge des zirkulierenden Blutes möglichst konstant zu halten, versickert dieses Wasser größtenteils, wenn es nicht durch gesunde Nieren ausgeschieden wird, durch die Wände der Kapillarblutgefäße in die Zwischenzellräume, und von dort aus dann teilweise durch die Zellwände in die einzelnen Körperzellen, Ist diese „versickerte“ Wassermenge gering, hat dies wenig Konsequenzen. Ein Liter Wasser im gesamten Körpergewebe sieht man einem Patienten nicht an, aber wenn es sehr viel mehr wird kommt es zur Ansammlung an bestimmten Stellen: Gerade tagsüber, wenn der Mensch eher sitzt oder steht, sammelt sich das Wasser bevorzugt in den unteren Bereichen des Körpers, z. B. in der Knöchelgegend an. Aber auch an anderen Körperstellen sind sichtbare oder spürbare Veränderungen möglich, wie in den Augenlidern (Lidödeme) oder in den Händen (der Ring sitzt viel fester als sonst). Sehr unangenehm kann es sein, wenn sich das überschüssige Wasser in den Lungenbläschen sammelt und den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid behindert, dann kann es zu einer gefährlichen Atemnot kommen.
Genau umgekehrt spielt sich der Prozeß der Wasserverlagerung während der Hämodialysebehandlung ab, allerdings in erheblich kürzerer Zeit, was folgende Auswirkungen hat:
Zunächst wird dem zirkulierenden Blut Wasser entzogen wobei der Anteil der festen Bestandteile, also der Blutzellen relativ gesehen ansteigt, das Blut wird „zähflüssiger“ und kann dadurch nicht mehr so gut durch die besonders kleinen Blutgefäße fließen. Durch die ebenfalls bei der Dialyse stattfindende „Verschiebung“ der Elektrolyte kann es zu Krämpfen kommen.
Durch den Wasserentzug verringert sich das Blutvolumen, der Flüssigkeitsdruck in den Gefäßen (Blutdruck) sinkt (man stelle sich einen Autoreifen vor, aus dem ein Teil der Luft entwichen ist). Der Körper ist aber immer bestrebt den annähernd gleichen Druck in den Blutgefäßen zu halten. Dies geschieht einerseits durch die Zusammenziehung der Gefäßwände und andererseits durch einen Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes durch nachfließen von Wasser aus dem Körpergewebe. Kann der Flüssigkeitsmangel im Blutkreislauf dadurch jedoch nicht mehr ganz ausgeglichen werden (Es fließt weniger Wasser aus dem Körpergewebe in die Blutbahn als durch die Dialyse herausgezogen wird) kann es zu einem sehr starken Abfall des Blutdrucks kommen, der bis zur Bewußtlosigkeitführen kann. Auch wenn es nicht soweit kommen sollte kann der niedrige Blutdruck für den Patienten sehr unangenehm sein, weitere Symptome sind Schwindelgefühl, Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechenund und völlige Kraftlosigkeit.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten diesen Nebenwirkungen der Dialyse vorzubeugen
Natürlich sinkt das Blutvolumen an der Dialyse durch den Wasserentzug immer mehr oder weniger ab, die entscheidende Frage ist ob dabei eine Grenze unterschritten wird ab der der Patient mit den beschriebenen Nebenwirkungen reagiert. Die zwei Faktoren die hierbei eine Rolle spielen sind:
1. Die Ultrafiltrationsrate ( durch diese sinkt das Blutvolumen )
2. Die Rückfüllungsrate ( durch welche das Blutvolumen wieder zunimmt )
Zu 1. Ultrafiltrationsrate:
Um das Blutvolumen möglichst konstant zu halten (wie gesagt, etwas sinkt es immer, es sei denn dem Patienten muß gar kein Wasser entzogen werden) sollte die Ultrafiltrationsrate, also in Werten ausgedrückt die Anzahl der Milliliter die pro Stunde entzogen werden muß um in der Gesamtdialysezeit das überschüssige Wasser komplett zu entfernen, möglichst gering gehalten werden. Wie läßt sich das bewerkstelligen?
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So bitter das für den Patienten auch ist, so einfach ist es auch: Je weniger Wasser der Patient während der dialysefreien Zeit zu sich nimmt, desto weniger muß bei der Behandlung entzogen werden.
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Je länger die Dialysezeit ist, desto geringer ist natürlich auch die Ultrafiltrationsrate: Wer 2,4 Liter in 3 Stunden entziehen muß liegt bei 800 ml pro Stunde, jemand der die gleiche Menge in 4 Stunden filtriert liegt bei 600 ml pro Stunde, die körperliche Belastung ist dabei deutlich geringer!
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Man kann sich zunutze machen das der Körper den Wasserentzug am Anfang der Behandlung besser verträgt als gegen Ende; die meisten Dialysegeräte verfügen über die Möglichkeit sogenannte Profile zu fahren, das heißt die Maschine läßt sich so programmieren das am Anfang die Ultrafiltrationsrate relativ hoch ist, z. B. in der ersten Stunde 1200 ml, dann 800 pro Stunde und gegen Ende, dann wenn fast das gesamte überschüssige Wasser entzogen ist und nicht mehr so schnell aus dem Gewebe nachfließt nur noch 400 oder 600 ml pro Stunde.
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Noch eine Möglichkeit: Bei der sogenannten sequentiellen Ultrafiltration wird in der ersten halben oder ganzen Stunde nur Wasser entzogen und nicht gleichzeitig dialysiert, erfahrungsgemäß vertragen die meisten Patienten das besser, manchmal lassen sich so 1000 ml in einer halben Stunde abziehen. Der große Nachteil an diesem Verfahren; es wird eben nicht oder fast gar nicht dialysiert, also keine Giftstoffe entfernt. Es ist eher etwas für den Notfall, also dann wenn sehr schnell Wasser entzogen werden muß weil der Patient wegen Überwässerung schon Atemnot hat.
Zu 2. Rückfüllungsrate:
Die Nebenwirkungen des Wasserentzugs lassen sich ebenfalls vermeiden wenn die Rückfüllungsrate hoch genug ist, also so viel Wasser aus dem Gewebe in die Blutbahn nachfließt das das Blutvolumen nicht unter die kritische Marke sinkt. Wie läßt sich also die Rückfüllungsrate erhöhen?
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Das oben schon beschriebene Profil hilft dabei die Rückfüllungsrate möglichst schnell in die Höhe zu treiben; es kann ja auch erst Wasser aus dem Gewebe in die Blutbahn fließen wenn zuvor dafür Platz geschaffen wurde, es gilt also am Anfang sehr viel Wasser zu entziehen, gerade soviel das das Blutvolumen deutlich verringert wird, aber nicht so viel das es zu Nebenwirkungen kommt. Wie hoch diese Rate am Anfang sein kann muß man ausprobieren da sie von Patient zu Patient verschieden ist, und manchmal auch von Tag zu Tag.
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Schon wieder ein Profil: Kochsalz bindet Wasser, durch die Einstellungen des Natriumgehaltes im Dialysat läßt sich der Kochsalzgehalt im Blut beeinflussen, je höher dieser ist, desto schneller kann Wasser aus dem Gewebe in die Blutbahn übertreten. Der erhöhte Kochsalzgehalt im Blut sorgt jedoch für Durst und sollte bis zum Ende der Dialyse wieder gesenkt werden. Durch ein Profil mit dem sich der Natriumgehalt im Dialysat am Anfang hoch und am Ende niedrig einstellen läßt bewirkt man eine Normalisierung des Kochsalzgehaltes im Blut.
Insbesondere was das Natriumprofil angeht muß leider gesagt werden das es keine gesicherten Erkenntnisse gibt ob es wirklich eine entscheidende, meßbare Wirkung hat.
Dagegen ist unbestritten das die Ultrafiltrationsrate den größten Einfluß auf das auftreten (oder nichtauftreten) von Nebenwirkungen hat: Je niedriger desto besser wird die Behandlung insgesamt vertragen!
Es ist einfach so: manche Patienten vertragen mühelos eine Entzugsmenge von 1 Liter pro Stunde oder mehr, für andere ist schon die Hälfte zu viel. Jeder Mensch reagiert darauf anders, die individuelle Schwelle muß bei jedem herausgefunden werden.
Grundsätzlich kann man aber sicher sagen, das je geringer die Menge ist die entzogen werden muß, desto geringer ist auch die Gefahr von Nebenwirkungen wie Krämpfen und Blutdruckabfällen!
Voraussetzung für eine gute Verträglichkeit der Dialysebehandlung ist das richtige Soll- oder Trockengewicht. Versucht man dem Blutkreislauf Wasser zu entziehen obwohl sich im Körper kein überschüssiges Wasser befindet, kommt es unweigerlich zum Abfall des Blutdrucks, auch bei niedriger Ultrafiltrationsrate!
Bei Menschen mit funktionierender Niere sorgt eben diese dafür, das für den Körper überflüssige Mengen ausgeschieden werden, wenn der Körper zu „trocken“ ist scheidet die Niere nur so viel Wasser aus wie gerade eben nötig ist um die Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen. Je weniger Wasser dazu zur Verfügung steht, desto dunkler wird der Urin. Es ist selbstverständlich das man dem Körper nicht unbegrenzt Wasser entziehen kann, auch wenn dies noch so langsam geschieht.
Bei Dialysepatienten, vor allem bei denen deren Nieren überhaupt kein Wasser mehr ausscheiden, muß der Arzt durch vorhandene oder nicht vorhandene Symptome festlegen welches Trockengewicht der Patient hat:
Symptome für zu hohes Trockengewicht können sein:
- Ödeme, also Wasseransammlungen in bestimmten Hautbereichen, vorwiegend an den Beinen, Knöcheln, aber auch im Gesicht (unter den Augenlidern), bei Bettlägerigen Patienten der Rückenbereich. Diese Ödeme können aber auch andere Ursachen haben!
- Hoher Blutdruck durch zu viel Wasser im Blutkreislaufsystem
Symptome für zu niedriges Trockengewicht können sein:
- Krämpfe, vor allem wenn sie auch am Tag nach der Dialyse auftreten
- Mattigkeit und Abgeschlagenheit direkt nach der Behandlung die im Lauf der Stunden und Tage nach der Behandlung immer mehr abnehmen
- Kreislaufeinbrüche besonders gegen Ende der Dialyse
Alle hier genannten Symptome können auch andere Ursachen haben, wenn man als Patient solche Symptome hat sollte man aber unbedingt den behandelnden Arzt darauf hinweisen.
Was tun wenn die beschriebenen Nebenwirkungen auftreten ?
Gegen Krämpfe hilft häufig das zeitweise ausschalten des Wasserentzuges während der Behandlung, ein wenig Massage der betroffenen Körperteile oder feuchtwarme Umschläge können ebenfalls lindernd wirken.
Die intravenöse Kochsalzgabe sollte man so lange wie möglich hinauszögern. Dabei wird hochprozentige Kochsalzlösung in das Blutschlauchsystem gespritzt, es gelangt in den Blutkreislauf des Patienten und bewirkt eine Beschleunigung des Wasserübertritts aus dem Körpergewebe in die Blutbahn, es bindet sozusagen Wasser. Das Problem dabei ist, das Kochsalz durstig macht, der Patient trinkt dann mehr und muß bei der nächsten Behandlung noch mehr Wasser entziehen, wodurch die Gefahr größer ist wieder Krämpfe oder Kreislaufprobleme zu bekommen, ein Teufelskreis also.
Wenn die Kreislaufverhältnisse in Ordnung sind, also der Blutdruck und der Puls normal sind, kann es schon helfen die Beine ein wenig baumeln zu lassen, das regt die Durchblutung an.
Bei Kreislaufproblemen geht man ähnlich vor; ausschalten des Flüssigkeitsentzuges, Kopftieflage (die bewirkt das vor allem das Gehirn wieder genug Blut zur Verfügung hat und erhöht die Rückfüllung des Wassers aus den Beinen) und wenn nötig „Volumengabe“, man läßt über die Maschine Wasser einlaufen um den Kreislauf zu stabilisieren.
Im Laufe der Zeit lernt wohl jeder Patient welche Maßnahme für ihn die beste ist, man sollte diese dann aber auch möglichst früh ergreifen: Wenn es in den Armen oder Beinen kribbelt sind Krämpfe oft nicht weit, und dann kann das kurzzeitige ausschalten des Wasserentzuges schon ausreichen. Das gleiche gilt für den Blutdruckabfall, bei Schwindelgefühl, ungewöhnlich starker Müdigkeit, Sternchensehen oder Flimmern vor den Augen am besten gleich das Pflegepersonal rufen und den Blutdruck messen lassen, dann läßt sich schlimmeres fast immer vermeiden.
M. Greshake
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