Interview mit dem Shuntchirurg Herrn Prof. Krönung

Der Verein Jungen Nierenkranke Deutschland e.V. veranstaltet für seine Mitglieder jährlich drei Seminare. Im Seminar Qualitätsmanagement hielt Prof. Krönung aus Ottweiler, einer der führenden Shuntspezialisten in Deutschland, einen Vortrag über Qualitätskriterien beim Shuntmanagement.
Als Vorstandsmitglied und Betroffener hatte ich die Gelegenheit, ein Interview bei Prof. Krönung im Saarland zu machen.

Shuntchirurg Prof. KroenungHerr Prof. Krönung, wir haben uns bei einem Patientenseminar der Jungen Nierenkranken Deutschland e.V. in Bonn kennen gelernt, bei dem Sie einen beeindruckenden Vortrag über Qualitätskriterien beim Shuntmanagement hielten.

Sie hatten dann noch beim Essen Gelegenheit, über ihre interessante, und für uns Betroffenen, ungeheuer wichtige Arbeit zu erzählen.

Aufgrund von Shuntschwierigkeiten, die bei mir als Langzeitdialysepatient (im 35 Jahr) immer mal wieder auftreten und erst kürzlich eine mehrstündige OP in Neckargemünd bei Prof. Brittinger zur Folge hatte, ist mir wieder einmal klar geworden, dass unsere Lebensader, der sog. Shunt, der die wichtigste Vorraussetzung für eine optimale und effektive Dialyse ist, nur begrenzt haltbar ist. Ohne einen gut laufenden Shunt ist die Langzeit-Hämodialyse nicht möglich.

Sie sind einer der führenden Shunt-Chirurgen in Deutschland, wenn ich das mal so sagen darf. Bei Ihnen geben sich Betroffene mit ihren Problemshunts die Türklinke in die Hand. Das sind oft schwierige Fälle mit zahlreichen Voroperationen die dann letztendlich zu Ihnen überwiesen werden.
Sie sind Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses in Ottweiler und haben bereits zahlreiche Publikationen zum Thema Gefäßzugänge verfasst.

Sie haben Ihr Shuntkompetenzzentrum in Ottweiler im Saarland aufgebaut und operieren mit Ihrem Team über 600 Shunts im Jahr. Sie sind auch im Ausland unter den Shuntchirurgen bekannt.

Ich denke, in Deutschland haben sich seit Jahren nur einige wenige Schwerpunktzentren für Shunt-Chirurgie etabliert. Ich habe mal gelesen, Herr Professor Krönung, um die nötige Erfahrung in der Dialyseshunt-Chirurgie einschließlich aller möglichen exotischen Shuntformen zu erlangen, sollten in der Größenordnung mehr als 200 Shunt OP`s vom Chirurgen im Jahr durchgeführt werden. Weiter habe ich gelesen, dass viele kleine Shunt Zentren ihre basisshuntchirurgischen Kenntnisse bis zum Exzess ausreizen, und dass im Einzelfall der betroffene Dialysepatient wieder zu Ihnen oder zu den wenigen Schwerpunktzentren kommt, um zu einer anständigen Lebensader zu erlangen. Wie sehen Sie das?
Es ist sicher richtig, dass eine gute Shuntchirurgie einen sehr hohen Grad an Erfahrung fordert. Ich würde bei weniger Erfahrung nicht von kleinen Shuntzentren reden. Hier handelt es sich um Allgemeinchirurgen oder Gefäßchirurgen, aber auch um andere Disziplinen, die gelegentlich shuntchirurgische Eingriffe durchführen. Dies ist heute sicherlich keine gute Voraussetzung mehr, eine professionelle Shuntchirurgie anzubieten. Es ist natürlich immer schwierig, eine Zahl zu nennen. Der Geschicktere oder Begabtere oder Engagiertere kommt mit weniger Shuntoperationen aus als der Ungeschicktere, Unbegabtere und weniger Engagierte.
Ich würde aber die Größenordnung ähnlich sehen, sicher nicht weniger als 100 Shunts pro Jahr.

Was zeichnet einen hervorragenden Shunt-Chirurg aus?
Langjährige Erfahrung, minuziöse sorgfältigste OP-Technik, Verständnis der Shuntchirurgie als Prozesschirurgie, hohes Engagement mit Bereitschaft zum Verzicht im Privatleben durch die vielen dringlichen oder notfallmäßigen Eingriffe, hohe soziale Kompetenz im Umgang mit den chronisch kranken, oft polymorbiden Dialysepatienten.

Sie sagen Shunt-Chirurgie ist Prozesschirurgie. Was meinten Sie damit genau?
Die Shuntvene reagiert auf die Arterialisierung mit vielfältigen morphologischen Veränderungen. Diese müssen langfristig, unter Umständen über Jahre gesteuert und geführt werden (z. B. durch die Punktion, durch regelmäßige Kontrolluntersuchung, durch Abklärung jeder Fehlfunktion, durch Service-Operationen beim noch laufenden Shunt, um einer Komplikation wie der Thrombose zuvor zu kommen.

In ihrem Vortrag sprachen sie über Management bei einer Shuntneuanlage. Was ist darunter zu verstehen?
Jede Shuntneuanlage wie auch die Shunterstanlage muss in ein langfristiges Konzept eingebaut werden. Es geht nicht nur um die Frage, welchen Shunt lege ich jetzt neu an, sondern wie werden die nächsten 2 bis 3 Shunts aussehen, wenn dieser Shunt einmal nicht mehr funktioniert. Hierbei sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass jede Shuntneuanlage möglichst viele Folgeshunts zulässt und nicht spätere Möglichkeiten verbaut.

Gibt es in Deutschland für die Shunt-Chirurgie bestimmte Qualitätsstandards, wie z.B. in Amerika gibt es die DOQI-Guidelines?
Nein, wobei ich anmerken möchte , dass ich mit vielen Punkten der DOQI-Guidelines nicht einverstanden bin.

Hat ein betroffener Dialysepatient die Möglichkeit, die Erstanlage seines Shunts in einem der Schwerpunktzentren operiert zu bekommen, oder muss er zum Gefäßchirurg in seiner Nähe?
Hier gibt es keine allgemein gültige oder gar gesetzliche Regelung. Entscheidend ist im wesentlichen das Engagement des Patienten selber, seine Interessen durchzusetzen, d. h. zu einem professionellen Shuntchirurgen seiner Wahl zu gehen. Sollte es hier mit den Kostenträgern Transportprobleme geben, können diese meist gemeinsam vor der geplanten Op geklärt werden.

Ich persönlich habe Bedenken, dass irgendwann die guten Shunt-Chirurgen aus Altersgründen ausscheiden werden. Das ist ja auch normal. Aber wie sieht es denn mit den Nachfolgern aus?
Dies scheint in der Tat ein Problem zu sein. Ich würde gerne einen Assistenten ausbilden, habe bis heute niemanden gefunden der bereit ist, diese tägliche stundenlange feinmotorische Arbeit mit Lupenbrille über einen längeren Zeitraum mit häufigem Überschreiten der Arbeitszeit durch die vielen dringlichen und notfallmäßigen Operationen durchzuführen.

Könnten Sie sich vorstellen, im Zeitalter des Internet und der digitalen Bildübertragung, dass Sie Ihre Erfahrung, an Ihre nicht so versierten Kollegen, die über einige hundert Kilometer entfernt am OP Tisch stehen, weitergeben könnten, damit die Patienten dann nicht so lange Anreisewege haben würden?
In meinem Zentrum erfolgt die gesamte Dokumentation inzwischen digital und ich biete auch Kollegen die digitale Informationsübermittlung an (z. B. OP-Fotos, Skizzen, etc.). Hiervon wird noch sehr wenig Gebrauch gemacht. Ich bin sicher, dass dies die Zukunft nicht nur der Shuntchirurgie, sondern auch in anderen medizinischen Bereichen sein wird. Hierfür fehlen aber noch infrastrukturelle Voraussetzungen, die der ganze Medizinbetrieb entwickeln muss, und dies ist auch im Entstehen, wenn auch langsam.

Ich habe gelesen, dass es in Amerika sogenannte fliegende Shunt-Chirurgen gibt, die mit ihrem mobilen OP vor das Hospital parken und die bereitstehenden Patienten operieren! Könnte man sich das in Deutschland auch in der Zukunft vorstellen?
Diesen Vorschlag habe ich den Kostenträgern schon vor Jahren gemacht. Er ist damals an berufständigen Problemen (KV'en, etc.) gescheitert.

Wird sich aufgrund des Kostendrucks die Qualität in der Shuntchirurgie auf der Strecke bleiben?
Hier entsteht eine paradoxe Situation. Bisher wurden Shunts relativ schlecht honoriert, so dass nur sehr wenige engagierte Shuntchirurgen trotzdem eine qualitativ hochwertige professionelle Shuntchirurgie betrieben haben. Eine Besserbezahlung der shuntchirurgischen Tätigkeit muss unbedingt verbunden werden mit einer Qualitätskontrolle, damit nicht aus nahe liegenden Gründen unerfahrene Operateure in breitem Stil Shuntchirurgie betreiben.

Was raten sie den Betroffenen, damit ihre Lebensader lange erhalten bleibt?
Sich nur einem erfahrenen Shuntchirurgen anvertrauen und mit ihm alle Einzelheiten über das jeweils individuelle Gefäßsystem und die damit verbunden Shuntmöglichkeiten zu besprechen und die Shuntchirurgie möglichst in der Hand eines solchen erfahrenen Shuntchirurgen belassen. Das schlechteste ist sicherlich ein "Shunt-Tourismus" mit häufigem Wechsel von Shuntchirurgen, meist ohne den dringend notwendigen entsprechenden Informationsfluss.

Wird es nach Ihrer Meinung in Zukunft andere Anschlussverfahren geben, oder entwickelt man die Shunts weiter?
Man kann alle grundsätzlich möglichen Gefäßzugänge systemisch in 4 Gruppen mit Untergruppen vollständig darstellen. Alle seit Beginn der Dialysetherapie Mitte des vorigen Jahrhunderts entwickelten Gefäßzugänge lassen sich zwanglos und eindeutig in dieses Schema einordnen. Da umgekehrt alle Möglichkeiten teils mehrfach realisiert wurden, folgt für die weitere Entwicklung:
Es liegt ein umfangreicher Erfahrungsschatz vor, der durch systematische Auswertung mit Formulierung zu Grunde liegender Gesetzmäßigkeiten zur Detailverbesserung und zur Vermeidung der Wiederholung von Fehlern führen sollte. Ein grundsätzlich neuer Lösungsansatz für den Gefäßzugang ist nicht formulierbar.
Vorstellbar wäre evtl. in der Zukunft die Verwendung von geklonten Gefäßen als Dialysezugang. Wenn die Genmedizin so weit ist wird es aber wahrscheinlich dann aber auch möglich sein, geklonte Nieren herzustellen, die dann die bisherige maschinelle Nierenersatztherapie und damit die Shuntchirurgie überflüssig machen würden.

Vielen Dank für das bemerkenswerte Interview.
Ich hoffe natürlich für uns Betroffenen, dass die Shuntchirurgie in der Zukunft, trotz Kostendruck und Gesundheitsreformen, weiterhin die Qualität aufweist, wie wir sie heute kennen.
Ich wünsche uns Betroffenen, dass für die Zukunft best ausgebildete professionelle Shuntchirurgen, mit dem Erfahrungsschatz und dem Engagement eines Prof. Krönung, eines Prof. Brittinger oder einer handvoll Shuntchirurgen in Deutschland, uns zur Verfügung stehen werden.

Bei Fragen:
Thomas Lehn
Junge Nierenkranke Deutschland e.V.
Email:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Homepage:http://www.Thomas-Lehn.de