Mario Lippold - "Grüß Gott in Bad Heilbrunn"
(Bericht über einen Kuraufenthalt vom 13.7.05-3.8.05 in der Fachklinik Bad Heilbrunn)
Mit der (alten) Vorstellung einer Kur -morgens Fango, abends Tango- kam ich nach circa 5 Stunden Autofahrt gut gelaunt in der Fachklinik Bad Heilbrunn an. Am Anreisetag erfolgte auch schon die Aufnahmeuntersuchung mit den ersten Absprachen über geplante Anwendungen. Dabei wurde schnell klar, das dieser Aufenthalt nicht nur Erholung sein würde, sondern das durch die Klinik auch der Wille besteht, den Patienten durch die verschiedenen Anwendungen und Therapien in einen besseren Zustand wieder zu entlassen als er gekommen ist. Dementsprechend sah dann in der Woche auch der Tagesablauf aus. Aufstehen gegen 7 Uhr, die letzte Anwendung meist gegen 15 Uhr (hier mein Therapieplan der 1. Woche).Wie man unschwer erkennen kann, war die Zeit für Freizeitaktivitäten in der Woche stark begrenzt. Längere Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten der näheren und weiteren Umgebung waren also nur am Wochenende möglich. Die Zimmer sind geräumig, werden täglich gesäubert, mit einem Fernseher und Telefon ausgestattet und haben einen Balkon. Nierentransplantierte Patienten bekommen generell ein Einzelzimmer. Ein Manko sind die Gebühren für die Telefonbenutzung auf dem Zimmer. Pro Tag fallen 80 Cent Grundgebühr an. Ein Gespräch kostet 20 Cent pro Einheit. Das mag noch akzeptabel sein. Was in meinen Augen nicht akzeptabel ist - Anrufer von außerhalb der Klinik erreichen das Patiententelefon nur über eine 0180-5... Nummer. Das bedeutet, ein Anrufer muss 12 Cent pro Minute bezahlen! Mit einem Call by Call Anbieter könnte man das gleiche Gespräch für ca. 1 Cent pro Minute führen, und zwar aus ganz Deutschland.
Medizinische Betreuung
Die medizinische Betreuung war sehr gut. Es erfolgte täglich eine Visite durch Prof. Feucht, sowie der Stationsärztin und anderen an der Behandlung beteiligten Klinikpersonal. Obligatorisch für Nierentransplantierte ist eine 24-Stunden Blutdruckmessung, ein Blutzuckerprofil und eine Sonografie der Transplantatniere sowie des gesamten Bauches. Großer Wert wird auf die Kontrolle der typischen Risikofaktoren bei Nierentransplantierten gelegt. Dazu gehört insbesondere der Blutdruck, der Cholesterinspiegel, der Blutzucker und die optimale Einstellung der Immunsuppression. Es erfolgte eine wöchentliche Blutbildkontrolle mit Spiegelbestimmung der Immunsuppression. Bei Patienten mit Problemen wird die Blutbildbestimmung bei Bedarf auch öfters vorgenommen. Auf Unregelmäßigkeiten bei einzelnen Blutwerten wird schnell mit eventuell notwendigen Umstellungen an der Medikation reagiert. Generelle Umstellungen an der Immunsuppression erfolgen immer in Absprache mit dem behandelnden Transplantationszentrum. Jeder Patient nimmt während des Kuraufenthaltes an einem Vortrag von Prof. Feucht teil, bei dem die Wirkungsweisen, Risiken, Nebenwirkungen, die Vorteile und die Nachteile der verschiedenen Immunsuppressiva gegenübergestellt und besprochen werden. Vor allen für frisch Transplantierte kann dieser Vortrag etwas schockierend wirken, denn das Wissen um die möglichen Nebenwirkungen der Medikamente kann schon etwas beängstigend sein. Aber gerade das Wissen über die Risiken ist die Vorrausetzung dafür, die Risikofaktoren auch wirkungsvoll minimieren zu können. Auch das für Männer etwas heikle Thema der erektilen Dysfunktion(Impotenz) wird in einem Vortrag ausführlich behandelt. Es ist dabei schon erstaunlich, welche "Mittelchen" es neben dem allseits bekannten Viagra noch gibt. Auf Wunsch steht ein Psychologe für alle Probleme im Zusammenhang mit der Nierentransplantation zur Verfügung.
Physiotherapie
Die physiotherapeutische Behandlung zusammen mit den physikalischen Therapien war, wie weiter oben schon erwähnt, anstrengend, aber wahrscheinlich gerade deswegen auch sehr erfolgreich. Was sofort auffällt, ist die große Anzahl der Physiotherapeutinnen und Therapeuten. Warum, wird schnell klar. Es wird großer Wert auf individuelle Behandlung gelegt. Massage und individuelle Krankengymnastik scheint für jeden Patienten obligatorisch zu sein. Es steht ein Fitnessraum mit Geräten wie Fahrradergometer, Laufband und Kraftgeräten zur Verfügung. Das Training erfolgt stets unter Aufsicht und Anleitung eines Physiotherapeuten. Natürlich stehen auch die meisten physikalischen Therapien, wie medizinische Bäder, Fango, Heupackungen usw. zur Verfügung und werden bei Bedarf verordnet. Auch ein Bewegungsbad zum Schwimmen und zur Wassergymnastik ist vorhanden. Nordic Walking wird ebenso angeboten wie Bogenschießen. Zum Bogenschießen hatte ich mich in meinen jugendlichen Leichtsinn und in der Hoffnung auf etwas Spaß und lockeres Schießen freiwillig gemeldet. Zu meinen Entsetzen musste ich aber schnell feststellen, dass Bogenschießen, wenn es korrekt betrieben wird, ein sehr anstrengender und kräftezehrender Sport ist. Na ja, das nächste mal bin ich da schlauer... Spaß hat es aber trotzdem gemacht.
Verpflegung
Für manche soll es ja das wichtigste Kriterium für eine Kur sein ;-) Daher gleich vorweg - das Essen war sehr gut. Mittags und abends stehen meist 2 Gerichte zur Auswahl. Ein Salatbuffet ist immer vorhanden und reichlich gefüllt. Auch Extrawünsche werden, wenn möglich, sofort erfüllt. Getränke stehen für Transplantierte immer in ausreichenden Maße kostenlos zur Verfügung. Einziges Manko für einen Sachsen - der bayrische Kartoffelsalat. In Bayern besteht er scheinbar wirklich nur aus Kartoffeln, Zwiebeln, etwas Essig, Öl und Gewürzen. Der nächste Sachse, der in diese Klinik fährt, sollte den Bayern mal richtigen sächsischen Kartoffelsalat mitnehmen! Das ist aber nicht nur in der Klinik so, sondern auch in den Restaurants in Bayern schmeckt der Kartoffelsalat einem Sachsen nicht wirklich. Ich habe versucht, einem CAPD-Patienten, Pensionsbesitzer in Bayrischzell, das sächsische Rezept für Kartoffelsalat mal etwas Nahezubringen. Es bleibt abzuwarten, ob meine Bemühungen erfolgreich waren und demnächst auf seiner Speisekarte sächsischer Kartoffelsalat auftaucht. Die Gäste aus Sachsen würden es ihm danken, da bin ich mir sicher. ;-)
Freizeitangebot
Ein Manko der Klinik, da war ich mir auch mit den meisten anderen Patienten einig, ist das etwas schwache Freizeitangebot. Es beschränkt sich auf Vorführungen älterer Filme(z.B. "Das Wunder von Bern"), Diavorträge, geführte Wanderungen und Busfahrten in die Umgebung, Kurparkfeste und Musikabende bei bayrischer Folklore. Für ältere Patienten ist das vielleicht okay, für jüngere und junggebliebene Patienten(ja, dazu zähle ich mich noch! ;-)) nicht wirklich ein Knaller. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Billard-Raum oder einem Dart-Spielautomat. Da kann man sich ungezwungen beim Spiel unterhalten und lernt dabei auch noch Leute kennen. Die Möglichkeit zum Billardspiel ist zwar im nahe gelegenem Sportzentrum gegeben, aber zum schnellen Spiel zwischendurch eben nicht unbedingt geeignet. Es fehlt einfach eine Möglichkeit zum ungezwungenen Treffen und Kennenlernen in der Klinik. Es gibt aber die Möglichkeit Bücher und Spiele auszuleihen. In der Cafeteria kann man an 2 Terminals kostenlos im Internet surfen. Ein tolles Angebot, dass von den Patienten auch eifrig genutzt wurde.
Ausflugsziele
Die Umgebung der Klinik ist natürlich traumhaft. Im Voralpenland gelegen, lädt die Umgebung von Bad Heilbrunn zu kleinen und größeren Ausflügen ein. Günstig ist es, ein Auto dabei zu haben. Für einen größeren Ausflug bietet sich München an. Mein Besuch in den Bavaria Filmstudios und im Deutschen Museum war sehr interessant und beeindruckend. Für beide Ziele sollte man je einen ganzen Tag einplanen. Für das Deutsche Museum brauchte man eigentlich eine ganze Woche um alles zu sehen. Weitere schnell erreichbare Ausflugsziele sind der Tegernsee, das Kloster Benediktbeuern, der Walchensee mit dem Kraftwerk Walchensee, der Kochelsee, Lenggries mit einer Seilbahnfahrt zum Brauneck, der Sylvenstein-Stausee oder man fährt/schwebt mit der Seilbahn zum Herzogstand und auf den Wallberg. Ein Tipp von mir - eine Fahrt mit dem Auto über die Mautstraße(2,50€) von Vorderriß nach Walgau. Dabei fährt man am Isarlauf entlang. Dort sollte man unbedingt einmal auf einem kleinen Parkplatz halt machen und am Ufer der Isar etwas spazieren gehen. Eine traumhafte Gegend! Etwas weiter entfernt, aber für einen Tagesausflug bestens geeignet, liegt das berühmte Schloss Neuschwanstein und der Chiemsee. Auch ein Besuch des "oberbayerischen Bilderbuchstädtchens" Bad Tölz sollte nicht fehlen. Nach Bad Tölz werden auch von der Klinik organisierte Fahrten angeboten. So haben auch Patienten ohne eigenen PKW die Möglichkeit diesen schönen Ort zu besuchen.
Fazit
Grüß Gott - der typische Gruß in Bayern begleitet einen über den gesamten Tag. So freundlich und aufgeschlossen wie die gesamte Klinik ist auch der überwiegende Teil der Patienten. Man kommt schnell ins Gespräch, auch wenn es manchmal mit der Verständigung zwischen einem Sachsen und einem Bayern etwas schwierig ist. Das gilt übrigens in beide Richtungen. Aber nach einigen Tagen Eingewöhnung klappt die Verständigung relativ problemlos. Die medizinische Betreuung ist tadellos, so das man sich als nierentransplantierter Patient in der Klinik kompetent betreut und sicher fühlen kann. Die Anwendungen sind teilweise anstrengend. Meiner Meinung nach macht aber gerade das den Erfolg einer Kur in der Fachklinik aus. Darin waren sich alle Patienten einig. Wer allerdings in der Fachklinik nur einen Urlaub auf Kosten der Krankenkasse machen will ist hier sicher fehl am Platz. Aber das ist ja auch nicht der Sinn einer Kur. Das langfristig angelegte Konzept von Prof. Feucht, "Leben nach Nierentransplantation", ist meines Wissens einmalig in Deutschland. Es beinhaltet jährlich einen 14tägigen Aufenthalt in der Fachklinik. Ziel dieses Konzeptes ist es, durch die Minimierung der o.g. Risikofaktoren das Langzeitüberleben der Nierentransplantate und natürlich auch der Patienten selbst zu erhöhen. Es bleibt zu hoffen, dass die Krankenkassen den Wert eines solchen langfristig angelegten Programms erkennen und entsprechend wohlwollend bei der Kostenübernahme vorgehen.
Abgesehen von den o.g. kleineren Mängeln im Freizeitbereich kann ich diese Klinik uneingeschränkt für nierentransplantierte Patienten empfehlen. Für mich war es die erfolgreichste Kur die ich je hatte.
August 2005
Mario Lippold
(verstorben 03/2018)