Monika Engel - "Unsere Freundschaftsniere!"
Im März 1986 hatte ich mal wieder eine Nierenbeckenentzündung, die recht schmerzhaft verlief. Mit Berlocombin bekamen wir sie wieder in Griff. Nachdem die Schmerzen nachließen, bemerkte ich, dass ich Wasser in den Beinen hatte. Damit die Ödeme zurück gehen, bekam ich Wassertabletten. Doch die Ödeme gingen nicht zurück, im Gegenteil, die Beine wurden immer dicker. Auch die Augenlieder und die Finger, selbst die Zehen schwollen immer mehr an. Mit dem Gehen hatte ich so meine Probleme. Ich hatte nur noch ein paar Schuhe mit dehnen ich noch einigermaßen laufen konnte. Meine Arbeit als Schwester in der Chirurgie fiel mir immer schwerer. Eigentlich sitzt Du an der Quelle und hast die besten Verbindungen zum Arzt, aber die konnten mir auch nicht weiter helfen. Man schrieb mich dann endlich krank. Ich hatte in der Zwischenzeit eine Gewichtszunahme von 15 kg, (Wasser).
In unserem Bereitschaftsdienst hatten wir einen Urologen, den bat ich mich doch zu einem Facharzt zu überweisen. Er überwies mich dann Ende November an die Uni zum OA Dr. Achenbach. Am 1.12.1986, genau an meinem Geburtstag, es war Wochenende, wurde ich auf die nephrologische Station gelegt. Dort blieb ich 4-1/2 Monate. In dieser Zeit wurden viele Untersuchungen gemacht. Es wurde eine Nierenpunktion, Leberpunktion durchgeführt. Man stellte fest, dass ich eine Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom hatte. Die Ursache konnte nicht geklärt werden. Außerdem wurden mir die Mandeln entfernt, sie waren durch regelmäßige Entzündungen so zerklüftet, dass sie keine Schutzfunktion mehr hatten. Dann wurde ich medikamentös so eingestellt, dass sich mein Zustand langsam besserte. Endlich konnte ich wieder nach Hause.
Ich wurde auf Grund meiner Krankheit Erwerbsunfähigkeitsrentner. Als es mir etwas besser ging, bin ich dann einmal die Woche für 5 Stunden arbeiten gegangen, nur sitzende Tätigkeit, am Schreibtisch in der chirurgischen Sprechstunde, denn lange stehen konnte ich nicht mehr.
Lange Zeit habe ich mit der richtigen Diät meinen Gesundheitszustand halten können, bis sich dieser dann im Februar 1996 verschlechterte. Wieder lagerte der Körper zuviel Wasser ein und ich fühlte mich schlapp, so dass ich im April erneut für zwei Wochen ins Krankenhaus musste.
Die Medikamente wurden umgestellt, doch eine große Verbesserung trat nicht ein.
Ich arbeitete auch nicht mehr, denn die Polikliniken waren in der Zeit "abgewickelt" worden und kranke Leute brauchte man nicht.
Im Dezember 1996 traten wieder vermehrt Ödeme auf und auch der Kreatinin - Wert und andere Werte wurden schlechter. So ging ich im Dezember wieder für 4 Tage in die Klinik. Es wurde erneut eine Nierenpunktion durchgeführt, bei der eine membranöse Fehlfunktion festgestellt wurde. Darum mussten wieder die Medikamente umgestellt werden. Zusätzlich erhielt ich Vitamin B12, Eisen und Recormon, die ich mir selbst spritzte. Eine wirkliche Verbesserung trat nur kurz ein. Im März 1998 führte Frau Dr. Würzberger, meine behandelnde Ärztin, mit mir ein längeres Gespräch, bei dem es darum ging, dass ich zur Vorbereitung auf die Dialyse einen Shunt benötige und Sie mich deshalb zur OP anmelden wollte.
Ich, Dialyse?! Kann doch nicht sein! Ich hatte mich damit nicht vertraut gemacht. Die Dialyse der letzte Schritt, damit wollte ich mich nicht abfinden. Also wurde durch meine Hausärztin eine Fastenkur mit einer speziellen Darm - Bauchmassage durchgeführt und siehe da, zu aller Verwunderung ging der Kreatinin - Wert von 760 auf 370 runter. Nein, kein Shunt, mir geht es besser. Im Juni dann eine schlechte Nachricht. Mein Vati wurde operiert und liegt im Koma. Ich fahre nach Hause kümmere mich um meine Mutti. Wir sind jeden Tag im Krankenhaus. Er hat es geschafft! Ich nicht!! Psyche, Stress und Aufregung haben bei mir das Gegenteil bewirkt. Ich bin am Ende.
Mir geht es richtig schlecht und die Werte sind im Keller.
23.10.1998, mein Zustand ist so miserabel, das Kreatinin ist über 1000 und der Harnstoff über 30. Der Blutdruck liegt über 200, so dass ich sofort ins Krankenhaus muss. Mal wieder liege ich auf Station - kein Shunt, selber Schuld, also erhalte ich sofort einen Halsvenen - Katheter.
Am 24.10.1998 erhalte ich meine erste Dialyse für 3 h. Dann folgen Montag, Dienstag und Mittwoch für jeweils 3 h. Am Anfang bekommt sie mir recht schlecht. Ich muss mich übergeben. Ich schlafe viel. In den nächsten 4 Wochen geht es mir immer schlecht während der Dialyse, ich muss mich immer übergeben. Nach 6 Wochen habe ich es endlich geschafft.
Die Dialysen bekommen mir nun und mein Körper hat sich darauf eingestellt. Jetzt kann ich nach Hause.
Ich gehe regelmäßig, Montag, Mittwoch und Freitag zur Dialyse. Von März - bis Juni 1999 werden alle Untersuchungen durchgeführt, die benötigt werden, um auf die Transplantationsliste zu kommen.
Im Juli 1999 werde ich auf die Transplantationsliste gesetzt.
Im Frühjahr 2000 kam Dr. Fangmann zu uns in die Dialyse. Er wollte alle Patienten kennen lernen die auf der Transplantationsliste stehen.
Er vereinbarte mit mir ein Gespräch, und bestellte mich in die Uni. Voller Erwartung bereitete ich mich auf dieses Gespräch vor. Er erzählte mir, das es nicht genug Spenderorgane gibt und die Wartezeit sehr lang ist. Es gibt auch die Möglichkeit einer Lebendspende. Dies wäre innerhalb der Familie, Eltern, Geschwister, Ehemann oder auch bei engen Freunden möglich. Er führt sehr viel Lebendspenden durch und hat gute Erfolge damit. Meine Mutti würde mir gern eine Niere spenden, aber sie ist selbst nicht ganz gesund. Mein Mann kommt nicht in Frage.
Also ist das Thema Lebendspende abgehakt.
Im Mai kam meine Freundin Carmen wieder für ein Wochenende zu Besuch. An diesem Wochenende kam ein Bericht über Nierentransplantation, den wir uns gemeinsam ansahen. Nach diesem Bericht erzählte sie mir , dass man bei einer Untersuchung bei ihr 3 Nieren festgestellt hätte und dass sie gerne eine spenden würde, dies aber nicht möglich wäre, was sie schade fände.
Ich erzählte ihr von meinem Gespräch mit OA Dr. Fangmann und Sie sagte, wir können es ja versuchen. Der Entschluss war gefasst und wir wendeten uns an Dr. Fangmann. Zuerst wurden ein paar Bluttest durchgeführt. Die Werte des Kreuztestes und das Cross - Match für die Blutverträglichkeit waren im negativen Bereich - das hieß: Wir vertragen uns ausgezeichnet, wie im wahren Leben!!! Ich rief Carmen sofort an, dass alles passt, und so kam der Stein ins Rollen.
Dr. Fangmann teilte uns die Ergebnisse dann offiziell mit und Carmen erhielt einen Termin fürs Krankenhaus, denn schließlich musste auch Sie auf Herz und Nieren geprüft werden, ob Sie gesund ist. Die fehlenden Untersuchungen, wurden im Frühjahr gemacht.
Im September 2001 hatten wir erneut ein Gespräch mit dem OA. Er wertete mit uns die Untersuchungsergebnisse aus, dabei stellte sich heraus dass Carmen eine Doppelniere hat wobei jede einzelne Niere eine eigene Funktion hat und Sie noch eine Einzelniere hat die für die Spende geeignet wäre.
Sie war kerngesund und auf Grund der guten Werte wäre eine Transplantation möglich. Der nächste Schritt war die Ärztekommission in Dresden, zu der wir angemeldet wurden.
Am 17.9.2001, abends 20:00 Uhr, hatten wir bei der Ethikkommission einen Termin im Gesundheitsamt Dresden. Jeder von uns wurde einzeln zu einem Gespräch gebeten. Dann warteten wir auf die Auswertung. Es dauerte fast eine Stunde. Es war uns, klar dass dies eine schwere Entscheidung war. Wir sollten noch einmal ein Gutachten eines Psychiaters in Dresden machen lassen.
Ende September erhielten wir einen Termin bei einem Professor in Dresden. Er führte noch einmal einige Tests mit uns durch und gab die Ergebnisse an die Kommission weiter.
Im Oktober bekam Dr. Fangmann dann die Genehmigung zur Transplantation.
Am 12.3.2002 sollte der Termin für die Transplantation sein. Man hatte bei der ganzen Planung vergessen, dass ich einen kleinen Gallenstein hatte und daher die Gallenblase entfernt werden sollte. Daher wurde zu diesen Termin die Gallen - OP gemacht. Wir vereinbarten einen neuen Termin für die Transplantation. Am 16.4.2002 gingen Carmen und ich auf die Station, denn am 18.4.2002 sollte die OP stattfinden. Man nahm uns mehrfach Blut ab, es wurden nochmals einige Tests gemacht, aber irgendetwas stimmte nicht!
Mittwoch Abend kam der OA dann und erklärte uns das spezielle Antikörper bei mir festgestellt wurden, die plötzlich bei Carmens Blut eine Reaktion verursachen. Da man noch einmal weitere Tests machen wollte, wurde der OP - Termin noch einmal verschoben.
Für die Immunologen waren wir ein höchst interessanter Fall, so dass wir auf ihrem Kongress Gesprächsstoff waren. Der Immunologe gab nach den letzten Test das OK zur Transplantation.
Am 2.7.2002 dann der neue Termin. Carmen und ich gingen auf die Station 1/3 Chirurgie, dort fühlten wir uns gleich wohl. Es wurde noch einmal Blut von uns beiden abgenommen, dann wurden wir für die OP vorbereitet.
Am 4.7. war es dann soweit, unser OP - Tag!!!...
Carmen war die erste die in den OP gefahren wurde, damit ihr die Niere entnommen werden konnte. Ich wünschte Ihr viel Glück. Dann wurde ich in den OP gefahren. Ich bat den Pfleger uns kurz zusammen zu schieben, denn Carmen war ansprechbar. Sie hatte alles gut überstanden und wünschte mir viel Glück. Ich war jetzt ganz ruhig als ich in den OP geschoben wurde. Dann schlief ich ein!!!
Gegen 16:00 Uhr fand ich mich auf der Wachstation 8 wieder. Irgend jemand zuppelte mir am Bauchverband herum, damit er sonographische Aufnahmen machen konnte, was ich sehr unangenehm fand. Dann kam ich langsam zu mir, und als der OA zu mir ins Zimmer kam, begrüßte ich Ihn mit " Hi mir geht es gut, wie geht es Carmen und liegt Sie auch hier?" Carmen ging es gut. Sie lag oben auf Station und kam mich am nächsten Morgen besuchen. Die Niere hatte gleich auf dem OP - Tisch Ihre Funktion aufgenommen und arbeitete hervorragend.
Ich war einfach nur glücklich! Der 4.7. ist für mich mein 2.Geburtstag, an dem ich das schönste Geschenk meines Lebens von meiner Freundin erhielt.
Unsere Niere hat auch einen Namen: die Freundschaftsniere und ich werde alles dafür tun um sie recht lange zu erhalten. Mein Mann ist auch glücklich, seine zwei Frauen haben alles gut überstanden und am nächsten Tag brachte er Carmen im Rollstuhl zu mir auf die Wachstation.
Am 7.7. wurde ich dann wieder auf meine Station in ein Einzellzimmer verlegt. Das Personal der Station kümmert sich rührend um mich. Carmens und meine Familie kamen uns regelmäßig besuchen, denn alle freuten sich, das wir es beide gut überstanden hatten. Wir beide erholten uns recht schnell. Einige Tage später konnte dann mein Blasenkatheter gezogen werden. Nun musste ich allein auf die Toilette gehen, was nicht leicht war. Komme mal so schnell aus dem Bett wie die Blase drückt und ich musste jede halbe Stunde, gutes Training für mich, aber auch eine große Umstellung. Gemeinsam mit meiner Freundin Carmen bin ich dann regelmäßig über den Stationsflur gelaufen. Das sah sicherlich lustig aus. Sie ging rechts schief und ich links. Carmen wurde dann am 12.7.02 nach Hause entlassen. Bei mir dauerte es noch etwas länger bis ich wieder richtig auf den Beinen war.
14 Tage später wurden die Fäden gezogen, und am 19.07.02 musste ich in die Urologie zum Entfernen der Y - Prothese aus dem Harnleiter.
Dies geht nur durch die Blase und es war sehr unangenehm. Danach brannte es beim Wasser lassen ein wenig und es wurden ein paar Pilze im Urin entdeckt, gegen die ich Penizillin nehmen musste. Als dann alles in Ordnung war, wurde ich am 23.7.02 entlassen und fuhr einige Zeit später in die Müritzklinik nach Klink zur Reha.
Was ich nicht in Ordnung fand war, dass meine Freundin nicht mit zur Kur durfte, obwohl Sie doch die Spenderin ist und dadurch auch einen operativen Eingriff hatte.
Carmen fuhr mit Ihren Eltern dafür in den Urlaub. Und ich nahm meinen Mann mit. Ihm taten die 3 Wochen Urlaub auch gut.
Die Fahrt war für mich sehr anstrengend. Wir wurden sehr freundlich empfangen und da mein Mann am Anreisetag Geburtstag hatte, wurde er mit einem Marzipanschweinchen und einem Gutschein für ein komplettes Kaffeegedeck durchs Klinikpersonal überrascht. Wir genossen diesen Tag und ließen alles ruhig angehen. Mein Programm erhielt ich erst am nächsten Tag. Volles Programm. "...na das wird eine Schinderei!" dachte ich. Sport satt: an Geräten - Aufbautraining für die Muskeln, Fahrrad fahren mit Puls- und Blutdruck - Kontrolle für die Kondition. Dann waren da noch Rückenschule, Ausdauersport und Spiele, Schwimmen, für die Seele Entspannungsübungen, sowie Bäder und Massagen. Jeden Morgen Wassertreten, damit der Kreislauf in Schwung kommt und (leider nur) einmal in der Woche Thai - Chi.
Das Blödeste war schon in der ersten Woche, einmal durch die Botanik laufen, über Berg und Tal, wo ich zu Fuß noch ziemlich schlecht drauf war. Ich war jeden Tag so kaputt, dass ich bei jeder Gelegenheit einschlief, sobald ich eine kleine Pause hatte.
Mein Mann musste mich immer wecken, damit ich nicht die nächste Behandlung verpasste. Ihn nahm ich auch zu einigen sportlichen Aktivitäten mit (wenn er Lust hatte!).
Am Wochenende waren wir immer gemeinsam in der Schwimmhalle des Kurhauses schwimmen. Am Ende war die Kur für uns beide ein voller Erfolg. Gut erholt konnten wir wieder den Alltag meistern.
Seit der Transplantation unserer Freundschaftsniere ist nun ein Jahr vergangen. Carmen und mir geht es gesundheitlich gut und wir hoffen das dies viele Jahre so bleibt.
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Monika Engel