Erfahrungsbericht Von Marco Bäthe, KfH Dialyse St. Georg Leipzig
Bevor ich 1985 mit 9 Jahren an die Dialyse musste, war mein Kinderarzt der Meinung, ich wäre so aufgequollen, weil ich mehrere Mückenstiche hatte. Da es meiner Großmutter keine Ruhe ließ, ging sie mit mir sicherheitshalber zum Augenarzt. Dieser schickte mich wiederum sofort zu einer Kinderärztin, die im gleichem Haus saß. Sie erkannte sofort, dass meine Fülle nicht durch Mückenstichen verursacht wurde, sondern meine Nieren nicht voll funktionsfähig waren und sich deshalb mein kleiner Körper mit Wasser gefüllt hatte. Mit Medikamenten konnte meine Nierenfunktion noch drei Jahre aufrechterhalten werden. Das bedeutete aber auch, dass ich in dieser Zeit neunmal, jeweils 2 – 3 Monate im Krankenhaus, teilweise mit strenger Bettruhe zubringen musste.
Im Juni 1985 wurde mir dann in Erfurt der erste Shunt gelegt und im Juli des gleichen Jahres durfte ich mir ein Dialysezentrum ansehen. Dieses war für mich sehr beeindruckend, da ich keinerlei Vorstellung von der Dialyse hatte. Zu dieser Zeit war mir ständig schlecht und mein Blutdruck tat auch, was er wollte. Am 1.September 1985 wäre der erste Schultag meiner 4. Klasse gewesen. An diesem Tag ging es mir so schlecht, dass ich nicht in die Schule gehen konnte. Am 10. September feierte ich noch meinen 9 Geburtstag daheim und am 11. September kam ich ins Internat des Kinderkrankenhauses Abtnaundorf in Leipzig. Dort wurde ich nun auf die Dialysebehandlung vorbereitet. Die ersten 14 Tage wurde ich dienstags und freitags 11/2 - 2 Stunden dialysiert. Danach wurde die Behandlung langsam auf dreimal wöchentlich 3 – 4 Stunden Dialyse gesteigert. Später saß ich dann mit einem weiteren Kind in einem Zimmer, wo wir dreimal die Woche 4 – 5 Stunden dialysiert und während der Dialyse unterrichtet wurden. Als Kinder haben wir im Internat aber auch mit dem Personal Spiele gespielt, gebacken und sogar gelernt, Socken zu stopfen. Wir waren immer zwischen 7 – 12 Kinder, die dialysiert werden mussten. Natürlich fuhren wir auch ins Ferienlager, in der Regel in die Dahlener Heide, einmal sogar an die Ostsee. Im April 1986 wurde ich nach Berlin Friedrichshain gefahren, wo ein Transplantat auf mich wartete.
Nach einer vorerst erfolgreichen Transplantation wurde ein Loch in meinem Nierenbecken festgestellt, so dass ich erneut operiert werden musste. Dann konnte ich vier Wochen ohne Dialyse leben, bis eines nachts sich überall Blut um eine Stelle am Katheter sammelte. Am nächsten Morgen kam der Oberarzt und sagte mir: „Entweder es ist eine Blutung oder ein geplatztes Organ.“ Also zog er den Katheter und stellte fest, dass die Niere geplatzt war. Das hieß, sofort in den OP und das Transplantat entfernen. Die folgenden zwei Woche später platzten dann auch noch zweimal Versorgungsgefäße, und das hieß immer wieder OP. Anfang August 1986 war ich dann wieder in Leipzig zur Dialyse, mit dem Urteil, ich sei für die nächste Zeit nicht für eine erneute Transplantation geeignet. Im September 1990 absolvierte ich dann die 9. und 10. Klasse im Internat einer Schule für Körperbehinderte in Leipzig-Lößnig. Diese habe ich 1992, trotz dreimal wöchentlich fünf Stunden Dialyse, erfolgreich abgeschlossen. Ein Jahr vorher wurde mir ein Bypass vom Herz zur Versorgung des linken Beines gelegt, um erneut transplantiert werden zu können. Im September 1992 begann ich eine Lehre zum Industriekaufmann.
Im Februar 1995 wurde ich erneut im Transplantationszentrum Leipzig transplantiert, aber leider wieder nicht erfolgreich. Da nach 14 Tagen auf der Intensivstation meine Lunge zusammenfiel, fiel ich für fünf Tage ins Koma. Leider musste die Niere wieder entnommen werden. Ich war so überwässert, dass ich dadurch wiederum dreimal ins Koma gefallen bin und sechs Wochen auf der ITA lag. Während dieser Zeit war ich dermaßen psychisch am Ende, dass eine ständige Unruhe in mir herrschte und ich immer das Bedürfnis hatte zu schreien. Als ich endlich wieder im Krankenhaus Abtnaundorf auf der Kinderstation lag und alle Schläuche und Katheter entfernt waren, konnte ich endlich wieder richtig schlafen. Gewogen habe ich damals 42 kg bei einer Körpergröße von 163 cm. Im Juli 1995 machte ich dann Ferienfreizeit mit der Kinderdialyse, und anschließend musste ich mein Lehrjahr wiederholen. Erfolgreich schloss ich dann 1996 meine Lehre zum Industriekaufmann ab. Im gleichen Jahr lernte ich meine damalige Freundin kennen, mit der ich nach Berlin zog. Ich wurde im Stadtteil Köpenick dialysiert. Schon im Februar 1997 kam ich wieder nach Leipzig zurück. Da ich mir eine Hepatitis C im Laufe der vielen Jahre „eingefangen“ hatte, empfahl man mir 1999 eine Interferon- Therapie. Diese war erfolgreich, so dass keine Viren mehr nachgewiesen werden konnten. In den folgenden Jahren hatte ich immer wieder Probleme mit meinem Shunt und ein Blutgerinnsel im Bypass, die jeweils operativ behandelt werden mussten. Im Jahr 2003 setzte man mir einen Herzschrittmacher ein. Im Laufe der vielen Jahre bekam ich dann auch noch Gelenkprobleme und spontane Knochenbrüche.
Da ich immer noch den Wunsch hatte, erfolgreich transplantiert zu werden, wollte ich mich im Transplantationszentrum Halle anmelden. Leider ergaben die notwendigen Voruntersuchungen, dass 12 Punkte des Gesundheits- Checks bei mir negativ bewertet wurden, vier davon in der Summe so schwerwiegend, dass eine Transplantation somit für mich nicht in Frage kommt. So stellten z.B. die Gefäßchirurgen fest, dass nach einer Transplantation u. a. Durchblutungsstörungen nicht auszuschließen wären, bei denen ich mein linkes Bein verlieren könnte. Trotz dieser schlechten Nachricht lasse ich mich bis heute nicht unterkriegen. Ich versuche nach wie vor, das Beste aus meiner Situation zu machen. Seit die KfH- Dialyse im Klinikum St. Georg die Nachtdialyse anbietet , gehe ich dreimal wöchentlich acht Stunden nachts dialysieren. Das ermöglicht mir, mich beinahe diätfrei zu ernähren. Durch etwas Sport, eine Kur und die Vereinsarbeit versuche ich meinen körperlichen Zustand zu verbessern. Und vielleicht werde ich irgendwann wieder so fit sein, dass einer erfolgreichen Transplantation nichts mehr im Wege steht
(verstorben)