Meine Lebensader, der Shunt - Pflege und Ratschläge

Dialysepatienten erkennt man häufig an ihrem Shuntarm, an den ausgeprägten Blutgefäßen oder an massiven Auswölbungen, den sog. Pseudo-Aneurysmen. Nach fast 33 Jahren Dialyse und mindestens 20 Shunt-Operationen (in den ersten 10 Jahre 13 Ops) sehen meine Unter- und Oberarme nicht gerade schön aus.
Wenn ich im Sommer ein kurzärmeligen Hemd oder T-Shirt trage, bin ich schon häufiger von Leuten angesprochen worden, was ich denn am Arm habe, was sind das für Narben, oder was sind das für Beulen? Als junger Mensch erfand ich früher Stories und erzählte den Leuten, dass ich vom Pferd gefallen sei, dabei wäre mein Arm verletzt worden, oder dass ich bei einem Autounfall fast den Arm verloren hätte.

Heute bin ich nicht mehr so eitel, und ich erkläre den Leuten, dass ich Dialysepatient bin und die prallgefüllten Kunststoffblutgefäße mein Shunt ist. Meine Lebensader, die dazu dient, um an ein Dialysegerät angeschlossen zu werden, welches mein Blut reinigt.

Als langjähriger Dialysepatient achte ich besonders meinen Shunt. Aber mein venöser PTFE Kunststoffschlauch, der leider einem gewissen Verbrauch unterworfen und nur begrenzt haltbar ist, war leider nach 10 jähriger Punktionszeit im Dezember 2002 am Ende.

Shunt vor der OP Dafür sprechen die Aneurysmen auf der venösen Seite und eine plötzlich auftretende Hautblutung bis hin zu einer Nekrose. Es führte kein Weg daran vorbei, und ich mußte schnellstmöglich operiert werden.
Und wieder einmal ist mir bewußt geworden, dass ein gutlaufender, komplikationsfreier Shunt die lebenserhaltene Versicherung für uns betroffenen Hämodialysemenschen ist.

Was schadet meiner Lebensader

Um die Lebensdauer eines Shunts zu begünstigen und zu verlängern, gibt es einige grundlegende Verhaltensweisen zu beachten. Ich kenne Mitbetroffene, die schon 30 Jahre ihren ersten Shunt punktieren, der noch nie thrombosiert oder ernsthaft entzündet war.
Auf Grund meiner eigenen Erfahrung und Kenntnis von erfahrenen Mitbetroffenen, möchte ich hier einige Tipps geben, wie man mit seinem Shunt umgehen sollte, bzw. dessen sorglichen Umgang.

Jeder Mensch hat unterschiedlich ausgebildetete Blutgefäßbahnen. Die einen sind prallgefüllt (bei Sportlern kann man häufig die Blutgefäße sehen), wieder bei anderen hat der Arzt schon Probleme bei der Blutabnahme. Diese Tatsache hat der Chirurg bei einer Anlage eines Shunts zu berücksichtigen und stellt ihn manchmal vor eine große Herausforderung.

Um eine Lebensader an die Dalyse anzuschließen zu können, muss vor der ersten Hämodialyse ein Shunt gelegt werden. Es werden meistens eine Arterie mit einer Vene im Unterarm, in der Nähe des Handgelenks, operativ kurz geschlossen. Durch diesen Kurzschluss, auch AV Fistel genannt, weiten sich die Gefäße nach einer Schonzeit aus und werden dadurch punktierbar. Um effektiv dialysieren zu können, braucht man einen Blutfluss von mindesten 200ml bis 300ml pro Minute. Gute Shunts können über 400 ml pro Minuten fördern. Man muss sich mal überlegen, wie häufig im Jahr in den Shunt gestochen wird. Bis 350 mal im Jahr ist keine Seltenheit. Der Shunt unterliegt damit ständiger Belastung und wenn man häufig Punktionsfehler macht oder lebenswichtige Regeln nicht beachtet, hat man nicht lange Freude an seiner Lebensader.

Ich werde mich mit den nachfolgenden Ratschläge auf die AV Fistel (subcutane Verbindung körpereigener Vene mit Arterie) und AV Fistel aus PTFE Prothesen (Implantat) beziehen.

Hier nun die folg. Ratschläge von mir und Betroffenen:

shunt2

Bevor man einen Shunt gelegt bekommt:

  • Vor Neuanlage sollte man eine Gefässdiagnostik durchführen lassen. D.h. ein Gefäßspezialist kann mittels Sonografie oder Angiografie abklären, welche Blutgefäße sich für einen Shunt eignen.
  • Weiterhin kann ein Gefäßspezialist die brauchbaren Blutgefäße durch entsprechendes Abdrücken und Ertasten der Gefäße erfühlen.

Wenn der Shunt neu angelegt ist:

  • Ruhigstellung und Hochlagerung des Shuntarms
  • Man sollte dem neuen Shunt die Zeit (ca. 4 Wochen) zum Ausbilden geben.
  • Der Shunt bildet sich besser aus, wenn man hin und wieder mit der Hand am Shuntarm Pumpbewegungen macht oder einen Knetball knetet

Wenn der Shunt punktiert wird:

  • Vor der Punktion, den Shuntarm waschen und die Haut an der Einstichstelle gut desinfizieren und die Einwirkzeit beachten
  • Beim Shunt (Implantat): mehrmals desinfizieren, sterile Unterlage und sterile Handschuhe beim Punktieren benutzen
  • Zum Punktieren nur kurz den Shunt stauen
  • Beim Shunt (Implantat): die ersten paar Mal mit einer Kunstoffnadel punktieren
  • Niemals in die gleiche Punktionsstelle stechen, immer Strickleiterpunktionstechnik verwenden.
  • Vorsicht beim Punktieren! Blutgefäß nicht durchstechen, Punktionsnadeln eventuell drehen und justieren
  • Ein Tip von Betroffenenen: Möglichst schnell lernen, den Shunt selbst zu punktieren. Die Statistik sagt, diese Shunts leben länger
  • Die Punktionsnadeln gut mit Pflaster fixieren, damit sie nicht herraus rutschen können
  • Über die Einstichstelle einen Tupfer kleben
  • Wichtig: Aseptischer Anschluss an das extracorporale System

Wenn die Punktionsnadel gezogen ist:

  • Mindestens 20 Minuten die Punktionsstellen mit einem sterilen Tupfer abdrücken
  • Beim Shunt (Implantat): mit einem sterilen Handschuh mind. 30 Minuten abdrücken und danach 10 Minuten Beobachtungsphase einhalten
  • Nach der Dialyse einen sterilen Verband
  • Tag später, wenn notwendig, eine shuntschonende Hautsalbe auftragen

Ein Betroffener sagte einmal zu mir: Seinen Shunt sollte man behandeln wie ein rohes Ei!

  • Bei Rötung, Hämatomen oder Infektion sofort Arzt rufen
  • Täglich den Shunt abtasten oder mit einem Stetoskop hören, ob Fließgeräusche zu hören sind
  • Shuntflussmessung einmal im Jahr machen lassen

Strengstens verboten:

  • Blutdruck am Shuntarm messen
  • Blutabnahme aus dem Shuntarm
  • Schwere Belastung für den Shuntarm
  • In die Stenose oder in Aneurysmen punktieren
  • komprimierende Verbände
  • Abschnüren durch Handtasche oder Rucksack
  • Schwere Lasten tragen

Es gibt aber auch Warnsignale, auf die man achten soll:

  • fehlendes Shuntgeräusch kann einen Shuntverschluss anzeigen
  • Taubheitsgefühl und Schmerzen in den Fingern der betroffenen Hand kann die Ursache für fehlende Durchblutung sein
  • Rötung, Schwellung und Schmerzen können Warnsignale für eine Infektion des Shunts bedeuten
  • Erhöhter Venendruck ist ein Zeichen für einen Abflussstau. Möglicherweise ist der venöse Teil des Shunts zu
  • Negativer arterieller Druck kann ebenfalls ein Zeichen für einen Verschluss seinWenn man auf meine o.a. Punkte achtet, hat man länger an seiner Lebensader.

Von dem Kompetenzzentrum für Shuntchirurgie in Neckargemünd bekam ich ein Faltblatt, wie man mit seinem neuangelegten Core-tex Shunt (PTFE-Loop) umzugehen hat.

Empfehlungen für den Einsatz eines neu angelegten PTFE- Loop

  • Zur Punktion leichte digitale Kompression über dem "venösen" PTFE-Schenkel distal der venösen Anastomose.
  • Zu einem engeren Verbund zwischen PTFE-Prothese und umliegenden Bindegewebe, der durch punktionsbedingte Gewebsreaktionen mit Bildung von "Narbengewebe" beschleunigt wird, kommt es meist erst einige Wochen nach der OP. Zur Vermeidung eines perivasalen Hämatoms bzw. einer Kanalblutung entlang der Prothese empfehlen wir für die ersten 5 - 10 Punktionen:
    a. nach legen der Punktionsnadel - wir bevorzugen längerschaftige Kunststoffkanülen- vor Dialysebeginn die Punktionsstelle über der liegende Nadel ca. 30 Minuten breitflächig zu komprimieren.
    b. Am Dialyseende nach entfernen der Nadel(n) die Punktionsstelle(n) 45 Minuten (am Oberschenkel 60 Minuten) mit sterilem Handschuhen abzudrücken. 
  • Solange noch eine Rrötung im Bereich der PTFE-Prothese und / oder eine Schwellung der    Shuntextremität durch "Plasmaabschwitzung " (bedingt durch eine erhöhte Durchlässigkeit der Kunststoffprothese für Blutplasmabe-standteile mit der Folge einer sog. "Perigraftreaktion" i.s. einer sterilen Entzündung) besteht, sollte nach jeder Dialyse ein Verband mit PVJ-haltiger Salbe (z.b. Betaisadona-Salbe) angelegt werden.
  • Es sollte unbedingt die Strickleiterpunktionstechnik eingehalten werden, d. h. die Prothese sollte in der ganzen zur Verfügung stehenden Länge abpunktiert werden mit stets ausreichend voneinander entfernten Punktionsstellen (mindestens 2 cm Abstand zur vorausgegangenen Punktion). Wiederholte Punktionen im selben Bereich können zur Zerstörung des Prothesematerials mit Pseudoaneurysmabildung führen.

Thomas Lehn (verstorben 2021)